Freitag 28.10.2011 - Rubrik: Wirtschaft
Am frühen Donnerstagmorgen war es denn endlich soweit, nach einer langen Nacht einigten sich Politiker und Banken zur Griechenland-Rettung. Es wird von Summen gesprochen, die für den normalen Bürger nur noch unverständlich sind, bzw. mitunter ein leichtes Schwindelgefühl hervorrufen. Die Börse dankte es gleich am nächsten Morgen und legte ordentlich zu. Der DAX schoss zeitweise um 5,3% auf 6333 Punkte. Es schien, als ob man die Weltrettung feiern wollte, doch noch ist die Krise nicht vorüber. Griechenland soll mit einem 50%igen Schuldenschnitt die Chance bekommen wieder Fuß zu fassen, die letzte Chance? Zusätzlich wurden zwei Hebel beschlossen, ein Hebel für den Rettungsfonds EFSF und eine Rekapitalisierung für die europäischen Banken. Angela Merkel zeigte sich sichtlich erleichtert, ihr französischer Kollege Sarkozy sichtlich müde.
50%, die keine 50% sind
Griechenland werden 50% seiner Schulden erlassen. Bis 2020 soll die Schuldenlast des Landes von
160% der Wirtschaftskraft auf möglicherweise tragbare 120% der Wirtschaftskraft schrumpfen. Die
Europartner und der IWF zahlen 130 Milliarden Euro, aus dem Privatsektor sollen weitere 100
Milliarden Euro fließen. Nach langen Verhandlungen haben die Banken eine Beteiligung zugesagt.
Zunächst wurde gerungen und der Bankensektor versuchte mit einer kleinen Erpressung einen Vorteil
für sich herauszuschlagen. Letztlich entschlossen sich die Banken aber doch für einen Verzicht
von 50% ihrer Griechenland Papiere. Da die 50% aber keine 50% sind, fiel der Verzicht wohl doch
nicht so bitter aus. Europartner und IWF garantieren von den insgesamt 100 Milliarden Euro
immerhin 30 Milliarden Euro. Damit bleiben nur noch 70 Milliarden Euro für die Banken, das sind
keine 50%, sondern 35%. Wenn Griechenland gerettet wird, müssen die 30 Milliarden Euro zurück
gezahlt werden. Davor steht aber immer noch das kleine Wörtchen "wenn".
1 Billion Euro, wie viele Nullen sind das eigentlich?
Auf dem Gipfel wollte man die Zahl noch nicht bestätigen, aber bereits im Vorfeld kurierte die
gigantische Zahl 1 Billion Euro, von der viele Menschen nicht einmal wissen wie viele Nullen
sie hat. Im täglichen Leben wird sie ja auch kaum gebraucht, kein Wunder, dass die Zahl die
Vorstellungskraft der meisten Menschen sprengt. Der Rettungsfond EFSF wurde mit einem Hebel
ausgestattet und soll künftig europäische Staatsanleihen absichern. Die Kraft des EFSF soll
auf eine 1 Billion Euro verstärkt werden. Mit dieser Absicherung will man potenzielle Investoren
anlocken weiterhin in angeschlagene Staatsanleihen zu investieren. Einen Teil des Risikos trägt
dann der EFSF. Bis zum Jahr 2014 sollen die Griechen noch einmal 100 Milliarden Euro Notkredite
erhalten. Mit diesem Geld sollen dann auch griechische Banken gerettet werden, die kurz vor
der Pleite stehen. Außerdem müssen europäische Banken ihre Eigenkapitalquote hochfahren. Bis
zum Juni 2012 soll die Eigenkapitalquote auf 9% erhöht werden. Aber auch hier fehlt Geld, kaum
eine Bank kann die Quote aus eigener Kraft erreichen. Gelingt dies nicht aus eigener Kraft,
können die Banken Liquiditätshilfen der Regierungen erwarten, reicht dies auch nicht, hilft der
EFSF weiter. Deutsche Banken kommen vergleichsweise noch gut weg, hier fehlen "nur" 5,2 Milliarden
Euro. Griechische Banken benötigen 30 Milliarden Euro, 26,2 Milliarden Euro für Spaniens Banken
und 14,8 Milliarden Euro für Italiens Banken. Bis die Quote von 9% erreicht ist, dürfen Banken
keine Boni und Dividenden auszahlen. Insgesamt benötigen die europäischen Banken 106 Milliarden
Euro. Allerdings dürfte der Eindruck einer verbindlichen Verpflichtung gewaltig täuschen, denn
die Beteiligung der Banken ist freiwillig. Dieser Umstand wurde aber verschwiegen, nach außen
vertrat man doch eher den Anschein eines Sieges über die Banken, der aber tatsächlich gar
keiner ist.
Betteln bei den Chinesen?
China hat sich in den letzten Monaten vermehrt als zahlungskräftiger Partner und investitionsfreudig
gezeigt. Nun will man das Land für Investitionen in den EFSF-Topf gewinnen. Sowohl Sarkozy als auch
der EFSF-Chef Klaus Regling beginnen am Ende der Woche ihre Reise nach Asien, um "Spenden" für den
EFSF-Topf zu sammeln. Die stark unterschiedlichen politischen Ansichten und den möglichen Einfluss
den China erhalten könnte, je mehr Geld nach Europa fließt, der spielt im Moment keine Rolle. Man
lächelt freundlich und lobt das Land für seine Fortschritte und sein Know-How, in der Hoffnung, dass
sich China erbarmen wird und in den EFSF-Topf einzahlt. 1 Billion Euro ist schließlich eine große
Zahl und wer etwas bekommen will, muss im Gegenzug eben nett lächeln und seine Idee als eine gute
Idee verkaufen. Welche Konsequenzen die Beteiligung des kommunistischen Landes haben wird, zeigt
sich möglicherweise erst in ein paar Jahren.
Nach der Krise vor der nächsten Krise?
Geld wird fließen und das nicht zu knapp. Doch wird die Schuldenkrise mit den vielen Milliarden ´
tatsächlich bewältigt sein? Noch immer tun sich die Schuldenstaaten wie Griechenland und Italien
mit Sparplänen schwer. In Italien löste die Schuldenkrise des Landes eine Regierungskrise aus. In
Griechenland sind die Menschen mehr als unzufrieden, ausreichende Sparpläne wurden weder konstruktiv
umgesetzt, noch will sie irgendjemand. Die griechische Bevölkerung wehrt sich massiv gegen jahrelange
Kontrollen, die von außen notwendig sind, um das Land wirtschaftlich wieder auf die Beine zu
bringen. Umfassende Reformen widersprechen der griechischen Mentalität. Bis jetzt hatte man sein
ganz eigenes Steuersystem, seine ganz eigene Art mit Beamten und Bestechungen umzugehen und dies
möchte man nur sehr ungerne aufgeben. Fakt ist aber, wenn das Land keine Reformen durchsetzen kann,
bleibt die Wirtschaft am Boden und wird sich auch mit weiteren Milliardenhilfen nicht erholen können.
Die Kredite und Hilfsmaßnahmen mögen eine Grundlage darstellen, aber solange kein solides Haus
darauf gebaut wird, wird der Boden irgendwann wieder weggerissen. Italien ist die drittgrößte
europäische Wirtschaftsmacht, viel zu groß und zu teuer für den Rettungsschirm, das Gleiche gilt
in ähnlicher Weise für Spanien. Wenn diese beiden Länder keine umfassenden Reformen auf den Weg
bringen, ist nach der Krise sehr bald vor der Krise. Der Erfolg des Rettungsschirmes hängt nicht
allein von den beschlossenen Milliardenhilfen ab. Ein wesentlicher Faktor des Erfolges werden
Reformen in den Ländern sein. Ob die Regierungen dazu fähig sind, wird sich im Laufe der nächsten
Monate zeigen.
Droht erneut eine Kreditklemme in Deutschland?
In Deutschland benötigen insgesamt 4 Banken die bereits im obigen Abschnitt erwähnten 5,2 Milliarden
Euro. Betroffen sind die Deutsche Bank, die Commerzbank, die NordLB und die LBBW. Die Commerzbank,
ohnehin noch aus der letzten Finanzkrise 2008 angeschlagen und mit Steuergeldern versorgt, benötigt
3 Milliarden Euro. Im Bundesfinanzministerium wird nun die Reaktivierung des Bankenrettungsfonds
SoFFin erwogen. Der Chef der Commerzbank Blessing, schloss allerdings erneute Hilfen aus dem SoFFin
aus. In der Finanzkrise hatte die Bank bereits 18 Milliarden Staatshilfen erhalten und ihr Image damit
schwer beschädigt. Dieses Mal will man die 3 Milliarden Euro aus eigener Kraft aufbringen. Der
Mittelstand sei nicht betroffen, so Blessing. In diesem Finanzierungsbereich habe man bereits
vorgesorgt. Eine mögliche Kreditklemme bei der Finanzierung von Gemeinden und Städten schloss
Blessing aber nicht aus. Auch die Deutsche Bank wird wahrscheinlich keine Hilfen aus dem SoFFin in
Anspruch nehmen müssen. Hier will man das benötigte Kapital für die Erhöhung der Kernkapitalquote
zum Teil aus den Gewinnen bis Mitte 2012 aufbringen. Bis Ende des Jahres sollen die europäischen
Banker der Europäische Bankenaufsicht EBA einen Plan vorlegen, wie sie die höheren Anforderungen
erfüllen wollen. Mit der Aufsicht und Kontrolle der EBA will man eine mögliche Kreditklemme verhindern.
Dies ist auch dringend notwendig, denn eine Kreditklemme in Deutschland würde auch bedeuten, dass
die Wirtschaft nicht wächst, bestenfalls stagniert, schlimmstenfalls Verlustzahlen einfährt und das
kann Deutschland in den nächsten Jahren am allerwenigsten gebrauchen.
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