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Trichets Abschied - ein schwarz-weißes Finale


Freitag 21.10.2011 - Rubrik: Wirtschaft


Jean-Claude Trichet, Präsident der Europäischen Zentralbank, tritt nach acht Jahren Dienstzeit an der Spitze der EZB ab. Es ist ein schwarz-weißes Finale für einen Mann, der Europa in den letzten acht Jahren geprägt hat wie kaum ein anderer. Die Meinungen sind geteilt, nicht an allen Stellen wird man Trichet vermissen. Neben den höflichen Reden zu seinem Abschied am Mittwoch, wurden auch wieder einmal kritische Stimmen laut. Seinen Auftrag, in Europa für stabile Preise zu sorgen und den Euro zu einer stabilen Währung zu machen, den hat Trichet sicherlich erfüllt. Allerdings hat der heute 68-jährige auch einiges kritisiert, 160 Milliarden Euro an Staatsanleihen liegen nunmehr in der EZB, die von einigen schon spöttisch als Bad Bank benannt wurde. Hätte sein Abschied zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden, dann wäre Trichet ganz sicherlich als glänzende Figur ausgeschieden, doch nun sind die Meinungen geteilt.


Ein Verfechter der Stabilitätspolitik

Schon zu Beginn seiner Amtszeit war Trichet ein harter Verfechter der Stabilitätspolitik. Stabile Preise in Europa, kaum Inflation und immer wieder die Aussagen, die Regierungen Europas müssen die Schuldenkrisen lösen, dafür sei die EZB nicht zuständig. Es wurde ruhig, Trichet berechenbar und vorhersehbar, das wussten die Märkte zu schätzen. Mit Überraschungen konnte Trichet nicht dienen und dieses Konzept zahlte sich in den Jahren auch aus. Er wurde gelobt, seine zwei Entscheidungen in den Jahren 2005 und 2008 die Zinsen zu erhöhen, erhöhten die Glaubwürdigkeit der EZB. Zweimal wurde die sonst doch eher langweilige und beschauliche EZB wurde zum Retter in der Not und handelte, bevor es andere Zentralbanken taten. Selbst 2008, als die Finanzwelt nach der Lehmann Brothers Pleite, fast zu Boden ging, blieb Trichet ruhig und sicher und traf genau die richtigen Entscheidungen.


Und dann kam Griechenland

Die Lehmann Brothers Pleite meisterte Trichet noch vorbildhaft, doch dann kam die Griechenland Pleite. Gegen den Willen der deutschen Ratsmitglieder entschied die EZB griechische Staatsanleihen zu kaufen. Finanz- und Geldpolitik verschwommen, eine Grenze war gefallen, Trichet geriet massiv in die Kritik. Die EZB finanziert Pleitestaaten und riskiert damit ihre Unabhängigkeit. Ein Sündenfall für viele Beobachter in Europa. 160 Milliarden Euro Staatsanleihen eines Staates, der kaum noch zu retten ist. Trichets sonstige Gelassenheit und seine kühle Ruhe gerieten plötzlich aus der Fassung, sprach man den EZB-Chef auf die Käufe an. Viele Mitarbeiter der EZB lobten ihren Chef zwar für seine Arbeit, meinten jedoch, dass er mit den Käufen das Band überdehnt habe. Zuletzt wurde Trichet schon fast böse, wenn man ihn auf das Thema ansprach. Der Mann, der Geldpolitik immer streng von Finanzpolitik trennen wollte, hatte genau das Gegenteil getan. Trichet verteidigt sich mit der Inflationsrate, die Käufe seien ein notwendiges Übel gewesen, um eine europäische Katastrophe zu vermeiden. Die deutschen Ratsmitglieder Axel Weber und Jürgen Stark waren völlig anderer Meinung und traten zurück. Ob Trichet richtig gehandelt oder die Kritiker Recht behalten sollten, das wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. Entweder hat Trichet den Euro tatsächlich gerettet, in dem über seine eigenen Prinzipien gehandelt hat oder aber er das Fass für eine maßlose Staatsverschuldung geöffnet. Entweder wird Trichet als der Euro-Retter in die Geschichte eingehen oder aber als derjenige, der der Gemeinschaftswährung den Todesstoß versetzt hat. Ihm allein die Verantwortung für beide möglichen Optionen zu geben, wäre aber ein bisschen dünn gesät, denn an der Euro-Krise sind viel mehr Personen und Akteure beteiligt, als ein EZB-Chef allein.


Überraschung in Italien

Während man in Frankfurt den Abschied Trichets in glanzvollem Rahmen feierte, geht Italien seinen eigenen Weg und sorgt wieder einmal für eine Überraschung. Italiens Regierung hat am Donnerstag überraschend Ignazio Visco als Notenbankgouverneur nominiert. Lange Zeit galt Bini Smaghi als Spitzenkandidat für das oberste Amt bei der italienischen Zentralbank, seit Donnerstag ist nun aber klar, dass ein anderer das Rennen machen wird, trotz dem Versprechen Berlusconis an Sarkozy. Dem Versprechen war ein Kuhhandel zwischen Frankreich und Italien vorausgegangen. Nach Trichets Abschied sitzen zwei Italiener an der Spitze der EZB, aber kein Franzose mehr. Dies passt Frankreichs Staatsoberhaupt Sarkozy aber gar nicht. Frankreich hätte für Draghi gestimmt, wenn man in Italien eine "Lösung" für Lorenzo Bini Smaghi finden würde, dessen Vertrag noch bis 2013 läuft. Ginge es nach den Franzosen, sollte man Smaghi einen anderen Spitzenjob in Italien anbieten, so dass ein Franzose nachrücken könne. Dieses Gerangel gefährdet einmal mehr die Unabhängigkeit der EZB. Eigentlich werden die EZB-Ratsmitglieder auf 8 Jahre gewählt und sollten dann unabhängig von politischen Einflüssen Entscheidungen treffen können. Mit dem Einmischen der beiden Staatschefs ist diese Unabhängigkeit aber nicht mehr gegeben, wenn zukünftig die Politik über die Zukunft der EZB-Ratsmitglieder entscheidet, bräuchten sie nicht mehr für 8 Jahre gewählt werden.


In Griechenland geht das Chaos weiter

Nicht nur auf Griechenlands Straßen tobt das Chaos, nun droht auch noch die Griechenland Troika zu zerfallen. Die Griechenland-Troika aus Europäischer Zentralbank (EZB), EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF) scheint sich aufzulösen. Der IWF will sich aus der Troika verabschieden. Während EU-Kommission und EZB die nächsten Kredite eigentlich freigeben wollen, beurteilt der IWF die Lage anders und sieht Griechenlands Bemühungen mehr als skeptisch. Wenn die Beurteilung des IWF nicht positiv ausfällt, drohen die nächsten Kredite an Griechenland zu platzen. Österreich will die Zustimmung verweigern, wenn der IWF nicht zustimmt. Dieser bemüht sich unterdessen um Schadensbegrenzung, man will die unterschiedlichen Ansichten zur Lage Griechenlands nicht als Differenz verstanden wissen.


"Traumpaar" im Streit

Unterdessen geht der Streit zwischen Frankreich und Deutschland weiter. Die Luft zwischen Merkel und Sarkozy ist merklich abgekühlt, die Ansichten zur Euro-Rettung völlig verschieden. Deutschland und Frankreich konnten sich auch wenige Tage vor dem Krisengipfel über die Ausgestaltung des EFSF nicht einigen. Nun muss sich auch der Bundestag zu einer Sondersitzung treffen, denn ohne die Zustimmung des Bundestages ist Merkel auf dem Krisengipfel handlungsunfähig. Sarkozy strebt weiter eine Banklizenz für den EFSF sowie eine Hebelwirkung und höhere Finanzierungshilfen über die Europäische Zentralbank (EZB) an. Wen wundert es, würden Frankreichs Banken im Falle einer Griechenland Pleite mitgerissen werden. Frankreich ist dringendst auf eine Rettung angewiesen, denn Frankreichs Banken sind Griechenlands Hauptgläubiger. Deutschland hingegen lehnt den Vorschlag Frankreichs kategorisch ab, eine Lösung ist also auch weiterhin nicht in Sicht. Dabei müssten sich beide Länder eigentlich vor dem Krisengipfel einig sein, sind sie doch die größten Finanzierer Europas. Die fehlende Einigkeit der beiden Länder wird sich wieder einmal an den Börsen bemerkbar machen. Experten erwarten, dass die Börse am heutigen Freitag schon reagieren wird und auch die nächste Woche stürmisch wird. Es bleibt also über das Wochenende weiter spannend.