Mittwoch 27.04.2011 - Rubrik: Allgemeines
Geoscoring, ein Wort mit dem die meisten Verbraucher wahrscheinlich noch nichts anfangen
können, aber vielleicht sind sie unwissend mit Geoscoring in Berührung gekommen. Ein schönes
neues Sofa, ein neuer Flachbildfernseher oder eine neue Küche, keine Schulden, nicht einmal
einen Dispokredit und trotzdem wird die Bestellung auf Ratenkauf abgelehnt. Woran kann das liegen?
Zunächst mag es sich absurd anhören, aber die Begründung liegt nicht selten am falschen Wohnort. Wer
davon ausgegangen ist, dass verschiedene Kreditauskunfteien nur die persönlichen Daten zum
Zahlungsverhalten speichern und zur Bewertung der Kreditwürdigkeit heranzieht, liegt leider
falsch. Schuld ist eine Datennovelle, die am 1.April 2010 in Kraft getreten ist und den Auskunfteien
erlaubt auch die Informationen über die Wohngegend des Kreditnehmers zur Bewertung der Kreditwürdigkeit
heranzuziehen. Dieses Vorgehen wird als Geoscoring bezeichnet. Die Bewertung ist eigentlich ganz
einfach, wohnt der potenzielle Kreditnehmer in einer Wohngegend, in der es überdurchschnittlich viel
Arbeitslosigkeit gibt und/oder die Zahlungsausfälle hoch sind, fließt dies in sein persönliches
Geoscoring ein, obwohl er selbst vielleicht gar keinen Kredit aufgenommen hat und über ein regelmäßiges
Einkommen verfügt.
Verbraucherschützer kritisieren Gesetzesänderung scharf
Das Gesetz sieht eigentlich vor, dass das Geoscoring nicht allein über die Kreditwürdigkeit des
Kreditnehmers entscheiden darf. Doch die Realität sieht zu Ungunsten des Verbrauchers leider etwas
anders aus. Der Markt mit Kundendaten ist hart umkämpft, eine ausführliche Bonitätsabfrage kostet
den Versandhandel oder den Elektronikmarkt um die Ecke Geld. Dagegen stehen 0% Finanzierungen. Häufig
verzichten Onlineshops, Versandhandel und andere Kreditgeber auf die ausführliche Bonitätsabfrage und
ziehen nur Eckdaten wie Namen und Wohnort zur Bewertung der Kreditwürdigkeit heran. Kosten sparen wo
es nur geht, mit dem traurigen Ergebnis, dass ein eigentlich solventer Kunde keinen Kreditrahmen
eingeräumt bekommt, weil er am "falschen" Wohnort wohnt. Die Schufa hält Geoscoring für überflüssig
und arbeitet nur mit 3 Partnern zusammen, die das Verfahren anwenden, zahlreiche andere Auskunfteien
wenden das Verfahren aber an. Viele Auskunfteien bestreiten, dass Geoscoring die alleinige Bewertungsgrundlage
sei, veröffentlichen ihre vollständigen Bewertungsgrundlagen aber nicht.
Keine einheitlichen Vorgaben für Kreditauskunfteien
Die Methoden der Datenspeicherungen sind sehr unterschiedlich und es gibt keine einheitlichen Regelungen.
Der Verbraucher weiß häufig gar nicht welche Kreditauskunftei seine Daten gespeichert hat und vor allem
auch welche Daten. Die Schufa bezieht ihre Daten in erster Linie von Banken und Sparkassen. Laufende
Kredite, Kundenkonten bei Versandhäusern, Bankkonten und Kreditkarten werden hier herangezogen, um das
Scoring des Kreditnehmers zu berechnen. Insolvenzen und geplatzte Kredite werden hier ebenfalls gespeichert.
Bürgel Wirtschaftsinformationen, ein Unternehmen, das von Euler Hermes und über die EOS Holding indirekt
von der Otto-Group getragen wird, zieht zur Berechnung des Scoring in erster Linie Negativmerkmale wie
Insolvenzen, eidesstattliche Versicherungen und Haftanordnungen heran. Außerdem werden Zahlungsverfahren
der Otto-Gruppe gespeichert und zur Berechnung angewendet. Die Kreditauskunftei Creditreform bezieht ihre
Daten in erster Linie von Versandhäusern. Außerdem werden Informationen von Insolvenzverfahren gespeichert.
Creditreform veröffentlicht einen so genannten Schuldneratlas. Dieser zeigt wie groß die Kaufkraft einzelner
Wohnviertel ist. Die Daten werden aber nicht nur Bewertung herangezogen, so sagt zumindest Creditreform
selbst. Datenschützer sehen in den unterschiedlichen Datenspeicherungen ein großes Problem. Einzelne
Wohnviertel werden systematisch herab gewertet, ohne dass die persönlichen und individuellen Verhältnisse
geprüft werden. Datenschützer und Verbraucherschützer bewerten dieses Vorgehen als stigmatisierend. Aufgrund
der Vielzahl verschiedenster Datenspeicherungen ist für den Verbraucher überhaupt nicht mehr ersichtliche
welche Auskunftei seine Daten speichere und vor allem auch welche Daten wo überhaupt gespeichert werden.
Potenzielle Kunden können Grund vorverurteilt werden, ohne dass sie Einfluss auf ihre eigene Bewertung haben.
Die Fehlerquoten der Datenspeicherung und deren Verwertung werden von den Kreditauskunfteien und den
Datenschützern höchst unterschiedlich angegeben. Während Datenschützer von rund 30% sprechen, geben die
Kreditauskunfteien selbst nur 1-3% an. Verbraucher, die einen Kreditwunsch nicht genehmigt bekommen, obwohl
sie keinerlei Negativmerkmale aufweisen, sollten das betreffende Unternehmen anschreiben und um eine
detaillierte Erklärung bitten. Wird keine Einigung erzielt, sollte jeder Verbraucher ein anderes Unternehmen,
Versandhaus, Onlineshop oder auch eine andere Bank wählen.