Freitag 08.07.2011 - Rubrik: Wirtschaft
Gestern wurde der Leitzins wie erwartet von 1,25% auf 1,5% erhöht, keineswegs eine überraschender Schritt,
aber wahrscheinlich die letzte Leitzinserhöhung unter der Führung Jean Claude Trichets. Auch Europas
Schuldenkrise konnte die zweite Leitzinserhöhung dieses Jahres nicht aufhalten, die EZB
(Europäische Zentralbank) blickt mit Sorge auf die aktuelle Preisentwicklung. Jean Claude Trichet
begründet die Erhöhung des Hauptrefinanzierungssatzes mit den aktuellen Inflationsrisiken, die
weiterhin aufwärtsgerichtet bleiben. Man werde die Situation genau beobachten. Diese Aussagen lässt
Experten vermuten, dass die gestrige Leitzinserhöhung nicht die letzte dieses Jahr gewesen ist. Vor
Anfang Dezember werden aber keine weiteren Erhöhungen erwartet. Im November wird der Italiener
Mario Draghi den jetzigen EZB-Präsidenten Trichet ablösen und wird kurz darauf schon beweisen
müssen, ob er die gleiche Strategie verfolgen wird wie sein Vorgänger.
Sparer dürfen sich über die gute Nachricht freuen
Sparer und Anleger dürften sich über den zweiten Schritt der EZB freuen. Schon die im Frühjahr
stattgefundene Leitzinserhöhung brachte eine Zinssteigerung für Anleger mit sich. Experten erwarten
nun, dass Sparzinsen in Kürze erneut leicht ansteigen werden. Neukunden der Commerzbank dürfen jetzt
schon von Zinserhöhungen profitieren, die Commerzbank hatte schon vor der Bekanntgabe den
Tagesgeldzinssatz erhöht. Auch bei einigen Direktbanken stiegen die Tagesgeldzinsen auf 2,5-2,6%.
Aufpassen muss man dennoch, denn einige Tagesgeldangebote gelten nur für Neukunden, der hohe Zinssatz
wird nur als Neukundenbonus gewährt und nur über einen festgelegten Zeitraum.
Dispozinsen werden steigen, Baugeld bleibt stabil
Im Herbst werden die Zinsen für den Dispositionskredit wahrscheinlich steigen. Der Dispozinssatz ist
an den Euribor gekoppelt. Der Euribor gibt den Zinssatz an, zu dem sich Banken untereinander Geld leihen
können. Dieser liegt meist etwas oberhalb des Leitzinsens und wird nach der Leitzinserhöhung nach oben
angepasst. Aufgrund des harten Wettbewerbes wird sich bei den Ratenkrediten nach Ansicht einiger Experten
nichts ändern. Banken kämpfen in diesem Bereich hart um jeden Kunden, wer den Ratenkreditzinssatz anheben
würde, würde wahrscheinlich einige Kunden an die Banken verlieren, deren Zinssatz für den Ratenkredite
stabil bleibt. Dieses Risiko ist in einem hart umkämpften Bereich zu hoch, den Kunden wird es freuen.
Bauherren oder solche, die es in nächster Zeit noch werden wollen, können beruhigt auf die nächsten Monate
schauen, denn im Bereich Baugeld wird sich nichts verändern. Hypothekendarlehen sind nicht an den Euribor
gekoppelt, sie orientieren sich an langfristigen Anleihen. Möglicherweise wird Baugeld in den nächsten
Wochen zunächst einmal etwas günstiger, um dann später wieder teurer zu werden. Begründung: Die Anleihezinsen
sinken, wenn Investoren etwas gegen die Inflationsbefürchtungen unternehmen.
Leitzinserhöhung stößt nicht überall auf Zustimmung
Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Euro-Ländern werden im Zuge der Leitzinserhöhung einmal
mehr sehr deutlich. In Deutschland wäre ein Leitzins von 3% angemessen, die geschwächten Euro-Länder leiden
aber jetzt schon unter den 1,5%. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte die Leitzinserhöhung
scharf. Griechenland und Portugal würden mit der Leitzinserhöhung noch stärker belastet. Länder, die sich
jetzt schon am finanziellen und wirtschaftlichen Abgrund befinden, können die Leitzinserhöhung nicht
mittragen. Für die starken wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland sei der Leitzins aber immer noch
zu niedrig. Die riesigen Unterschiede werden immer offensichtlicher, die Problematik, die Unterschiede
aufzulösen, immer größer. Die EZB schaffte aber im Gegenzug zur Leitzinserhöhung eine kleine Erleichterung
für das stark angegriffene Portugal. Die Mindestanforderungen für das Kredit-Rating wurden ausgesetzt.
Zuletzt hatte die Ratingagentur Moody´s Portugals Kreditwürdigkeit bis auf ein Minimum herabgestuft. Das
hatte zur Folge, dass es für Portugal kaum noch möglich gewesen ist an frisches Geld zu kommen. Mit der
Aussetzung durch die EZB kann sich Portugal nun weiterhin frisches Geld leihen und seine Staatsanleihen
als Sicherheit bei der EZB hinterlegen. Mit der Entscheidung für eine erneute Leitzinserhöhung macht sich
die EZB nicht nur Freunde, sie zeigt aber weiterhin Rückgrat und bleibt entschlossen bei ihrer Haltung,
dass die Finanzprobleme nicht seitens der EZB zu lösen seien, sondern nur von der Politik selbst. Mit
ihrer Entscheidung untermauert die EZB ihre Aufgabe für stabile Preise zu sorgen und nicht den Ausputzer
für Pleitestaaten zu spielen. Diese Entscheidung mag nicht jeder gut heißen, aber jede andere Entscheidung
würde nicht nur die Glaubwürdigkeit der EZB ruinieren, sondern auch langfristig keine Aussicht auf
Besserung darstellen. Tatsache ist, jahrzehntelange Misswirtschaft der Staaten kann nicht durch die
EZB ausgebügelt werden. Dieses Problem muss von denen behoben werden, die es auch ausgelöst haben und
das sind nun mal die Regierungen der Staaten selbst.
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