Freitag 18.03.2011 - Rubrik: Wirtschaft
In zwei Wochen sollte eigentlich die endgültige Entscheidung über die Leitzinserhöhung fallen, doch
nun steckt die EZB im Zwiespalt und die Leitzinserhöhung ist alles andere als sicher. Die starke
Inflation in der Euro-Zone würde die Leitzinserhöhung nach wie vor rechtfertigen, doch mit dem
Hintergrund der Katastrophe in Japan scheint nichts mehr sicher. Die Sorgen der EZB scheinen kein
Ende zu nehmen, die Inflation in der Euro-Zone ist im Februar auf den höchsten Stand seit den
letzten zweieinhalb Jahren gestiegen. Der EZB wurde die Frage gestellt, ob man mit dem Hintergrund
der Tragödie eine Leitzinserhöhung überhaupt rechtfertigen könne. Das EZB-Ratsmitglied Christian
Noyer antwortete auf die Frage, dass man zunächst alle internationalen Informationen berücksichtigen
müsse und ließ mit dieser Antwort erneut die Frage offen.
Wie hoch sind die Inflationsgefahren?
Bekannt ist, dass die EZB in den letzten Jahren stark gegen drohende Inflationen vorgegangen ist. Man
könnte dies auch als das höchste Ziel der EZB bezeichnen, doch nun steht die Europäische Zentralbank
vor einer Gewissensfrage. Wie hoch sind die Inflationsgefahren in der Euro-Zone und könnte eine
Leitzinsanhebung derzeit überhaupt verantwortet werden? Ein wichtiges Kriterium für oder gegen eine
Leitzinserhöhung wird die Positionierung der Euro-Länder zum Thema Kernenergie sein. Denn die
Entwicklung der Energiepreise wird sich stark auf die Inflationsrate des Euro auswirken. Aktuell
haben die Euro-Länder nicht nur mit der Katastrophe in Japan zu kämpfen, schon vorher stieg der
Ölpreis aufgrund der Lage in Libyen. Der Preisdruck ist hoch, Energie- und Lebensmittelpreise haben
sich in den letzten Monaten verteuert. Die Inflationsrate liegt in 17 Euro-Ländern bei 2,4%. Die EZB
sieht eine stabile Lage aber bei knapp unter 2%, dieses Ziel ist längst überschritten und niemand
kann aktuell voraussagen wie die weitere Entwicklung aussehen wird. Die Lage in Libyen ist genauso
unklar wie in Japan. Auch am heutigen Freitag kann niemand genau sagen wie sich die Lage in Fukushima
entwickeln wird.
Ökonomen erwarten Aufschub
Wie so häufig in der Diskussion um die Leitzinspolitik sind sich Experten und Ökonomen nicht ganz
einig. Ökonom Andreas Rees hält es für möglich, dass die EZB eine Leitzinserhöhung verschieben wird,
trotz der aktuellen Teuerungsrate. Die Verunsicherung ist groß, die Krise in Japan hat schwere
Kursstürze an den Börsen von Tokio bis New York verursacht. Zusätzlich wird jetzt vermutet, dass
japanisches Kapital aus dem Ausland wieder nach Japan geholt werden soll, um den Aufbau in Japan zu
unterstützen. Japan hat allein in den USA 900 Milliarden Euro angelegt, aller Wahrscheinlichkeit
nach wird Japan seine Dollars in Yen umwandeln und so sein Kapital aus den USA abziehen. Ein schwerer
Schlag für die USA, denn hier ist die Finanzkrise ebenfalls groß. Erst kürzlich hatte die amerikanische
Zentralbank die Schuldengrenze nach oben hin angehoben, um sich ein wenig Luft zu verschaffen. Wird
jetzt noch zusätzlich Kapital abgezogen, wird das den Dollar zusätzlich schwächen. Kristian Tödtmann
von der DekaBank ist anderer Ansicht als der Ökonom Andreas Rees, er vermutet, dass die Lage in
Japan nicht dazu führen wird die Leitzinserhöhung aufzuschieben.
Warum die EZB ihre Glaubwürdigkeit verlieren könnte
Das heutige „kleine Treffen“ wird nicht einfach werden, zum einen muss eine wirtschaftlich wichtige
Entscheidung geplant werden und zum anderen steht die Glaubwürdigkeit der EZB auf dem Spiel. Um die
Glaubwürdigkeit aufrecht zu erhalten, sollte die EZB ihre Strategie nicht grundlegend ändern. Das Ziel,
eine drohende Inflation nicht zustande kommen zu lassen, steht über den Entwicklungen in Japan,
zumindest so lange wie sich die Lage in Japan nicht dramatisch verändert. Für den Verbraucher wird
alles teurer, eine drohende Lohn-Preisspirale muss vermieden werden. Außerdem muss die EZB nicht in
einem Zeitraum von zwei Wochen denken. Wichtig ist es auch, dass Spielraum für die nächsten Jahre offen
gehalten wird. Die Flexibilität auch in Zukunft angemessen reagieren zu können, kann sich die EZB aber
nur bewahren, wenn der Leitzins angehoben wird. Außerdem stehen die Interessen der Politik auch den
Interessen der Öffentlichkeit gegenüber. „Billiges Geld“ kommt der Politik entgegen, eine Eindämmung
der Teuerungsrate der Öffentlichkeit. Die Entscheidung wird nicht einfach werden und ganz sicher wird
es, egal wie die Entscheidung ausfallen wird, Gegner und Befürworter geben. Man darf hoffen, dass
Trichet genügend Fingerspitzengefühl beweisen wird, um alle Interessen unter einen Hut zu bringen und
die längere Sicht der Dinge ebenso berücksichtigen wird, wie die aktuelle Lage.
- Leitzinsen bleiben erst einmal auf Rekord-Tief